Andacht zu Himmelfahrt 2020

Andacht zu Himmelfahrt 2020

Doppel-Geschichte von Matze und Matthäus: Zwischen Himmel und Erde

Was für ein wunderbarer Tag für einen Ausflug! Die Sonne scheint, die Luft ist klar…

Matze hat sich entschieden, eine kleine Tour mit dem Rad zu machen. Alleine dieses Jahr. Letztes Jahr waren sie eine fröhliche Truppe gewesen, mit Bollerwagen und was so dazugehört. Dieses Jahr muss das Fahrrad die Kumpels ersetzen. Es schlägt sich tapfer.

Matze versucht, den Gedanken der letzten Wochen zu entkommen. Und den seltsamen Abläufen, die mittlerweile Alltag genannt werden wollen.

Unter ihm knirscht der Kies des Weges. Lauter kleine graue, kantige Steine: zu klein um drüber zu stolpern, aber in jeder Kurve bereit, ihn ins Rutschen zu bringen.

Matze fährt. Er ist sich unschlüssig, wohin der Weg wohl führt.

Ein wenig später hat er einen Hügel erreicht. Matze streckt sich auf seiner Picknickdecke aus, lockert die Schultern, kreist die Handgelenke.…

Er schaut in den Himmel. 

Blau.

Weit.

Blau bis zur Unendlichkeit.

Gespickt mit weißen Wattewolken.

Er sieht mal wieder keine Tierfiguren darin…

Aber früher, da dachte er schon, wie gemütlich es wäre, sich auf so einer Wolke einzurichten. Schon manches Mal hatte er sich ausgedacht, was er mitnehmen wollte – um sich dann auf eine Wolke zu schwingen und dem hier unten einfach zu entkommen.

Über den Wolken…

Über den Wolken,
(da) Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein
Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man
Blieben darunter verborgen, und dann
Würde was uns groß und wichtig erscheint
Plötzlich nichtig und klein…         

Wie es wohl so ist, im Himmel? Wenn man die Wattewölkchen von oben sieht, himmlisch hell beleuchtet, das reine Licht reflektierend…

Jesus soll ja auf einer Wolke in den Himmel aufgefahren sein. Damals, vom Ölberg bei Jerusalem. In der Apostelgeschichte heißt es, er habe eben noch mit seinen Jüngern gesprochen:

„Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird. Ihr werdet meine Zeugen sein bis an das Ende der Erde.“

Und als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben. Eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen, so dass sie ihn nicht mehr sehen konnten.

Die Apostel sahen ihm nach, wie er zum Himmel auffuhr.

Wie es ihnen wohl ging als sie das sahen?

Matze stellte sich vor, wie sein Namensvetter Matthäus da auf dem Ölberg stand und den Kopf immer weiter hob. Wahrscheinlich traute er seinen Augen kaum. Geschah das wirklich? So etwas hatte er ja noch nie erlebt! Faszinierend. Erschreckend? Oder beides zugleich?
Wie sollte er das finden?

Vielleicht war ihm das alles zu viel.  Es war so viel geschehen in den letzten Wochen!!

Hier vom Ölberg aus waren sie voller Begeisterung nach Jerusalem eingezogen. Doch auch hier auf dem Ölberg hatte er angefangen zu begreifen, dass etwas Erschütterndes im Gange war. Jesus hatte sie gebeten, mit ihm zu wachen und zu beten. Doch, es war ihnen nicht gelungen, die Augen offen zu halten. Einer nach dem anderen waren die Jünger eingeschlafen. Und dann wurde Jesus gefangen genommen – was hätte er denn tun sollen?

Die Erinnerungen an Jesu Kreuzigung waren noch da mit all ihrem Schrecken. Hoffnungslosigkeit hatte ihn eingewickelt gehabt. Und mit einem Mal war Jesus wieder da – als wäre da Leben schön wie zuvor – und noch viel schöner! Es war ein Auf und Ab, Wirbelwind der Gefühle! Nach dem ersten österlichen Freudentaumel war erst allmählich das Vertrauen wieder gewachsen: Das Vertrauen in Jesu Predigt vom Reich Gottes. Nun schienen sie gerade wieder angewachsen: die Wurzeln der Hoffnung: Ja, Gott führt seine Welt zum Guten! Voller Weisheit und Liebe!

Und jetzt sollte Jesus tatsächlich … – Matthäus blinzelte. Er sah in den Himmel.

Und der war blau.

Einfach nur blau.

So wie immer.

Aber nichts war wie immer.

Jesus war … in dieses … Blau … eingegangen.

Da standen zwei weiß gekleidete Männer bei ihnen. Die sagten:

»Was steht ihr da und schaut zum Himmel?

Dieser Jesus wurde aus eurer Mitte

in den Himmel aufgenommen.

Er wird auf dieselbe Weise wiederkommen,

wie ihr ihn zum Himmel habt fahren sehen.«

Seltsam, was da in der Apostelgeschichte erzählt wird, denkt sich Matze. Neben ihm liegt sein Fahrrad. . Natürlich schauten die Jünger zum Himmel, wenn Jesus da eben verschwunden ist. Wo sollen sie denn auch sonst hinschauen?

Auch Matze erinnert sich gern an das Leben, wie es vor wenigen Monaten noch war. An manche Kleinigkeiten, von denen er nicht recht weiß, wie sie so plötzlich verschwinden konnten. Schon wieder denkt er an den Ausflug im letzten Jahr, an die vollen Biergärten und das sorglose Schwatzen mit allen möglichen Leuten mitten im Gedränge. Es ist doch absurd, wie unwirklich das auf einmal scheint! Niemals hätte er gedacht, dass sich Dinge so schnell ändern können!

Lange dachte er ja, nach ein paar Wochen wäre alles wie davor. Doch jetzt tauchen schon mal Gedanken auf, dass manche Dinge möglicherweise sehr, sehr lange nicht mehr sind wie zuvor. Und das will er nicht! Das macht Angst, überfordert. Gerade, dass er so viele Dinge überhaupt nicht absehen kann! Er mag so vieles am Sommer, was so viele Andere auch mögen: Feste und Festivals, Kino-Besuche, Theater, Parks, Freibäder… Und ja, da sind dann viele Menschen auf einem Haufen, so gehört das ja! Er wird ganz sehnsüchtig und traurig bei diesen Gedanken.

Und irgendwie sauer. So kann er hier nicht mehr herumliegen. Matze springt auf und stapft über die Wiese. Vielmehr stampft er beinahe herum.

Für einen Moment bekommt er Lust, sich den Verschwörungstheoretikern anzuschließen. Er hat keine Ahnung, worauf er sich dann einlassen würde – aber die Vorstellung, auf irgendjemanden wütend zu sein, scheint ihm gut. Und ist die Story noch so absurd. Einfach all die Unsicherheit und Überforderung gegen einen eher greifbaren Feind zu richten, für einen Moment jemanden zu haben, der einfach an allem schuld ist – vielleicht wäre dann manches einfacher?!

Noch einmal stampft Matze auf die schöne Wiese. Halt! So einfach ist es nicht.

Er schaut sich um, wie er da auf einer schönen Wiese steht. Über ihm der weite Himmel. Ihm wird wieder einmal klar, wie gut es ihm geht. Er ist gesund, sein Job ernährt ihn, sogar viel mehr noch. Er ist krankenversichert. Er hat eine Wohnung. Er kann sich nach Festen und Urlaub sehnen, denn er könnte sie bezahlen!

„Was steht ihr da und schaut zum Himmel?“

fragten die weiß gekleideten Männer in der Apostelgeschichte.

»Was steht ihr da und schaut zum Himmel?

Dieser Jesus wurde aus eurer Mitte in den Himmel aufgenommen.

Er wird auf dieselbe Weise wiederkommen, wie ihr ihn zum Himmel habt fahren sehen.«

Ihr könnt den Himmel sehen, ihr könnt von ihm träumen. Und ihr lebt hier auf der Erde.

Das ist nicht schlecht! Aber es ist und bleibt eine Aufgabe. Jeden Tag habt ihr den Himmel über euch – und steht doch mit beiden Beinen auf der Erde! Dabei habt ihr manches Gleichnis noch im Ohr, wie Jesus vom Himmelreich predigte. Manches geht euch durch den Sinn, wie Jesus mit Menschen umgegangen ist – gerade mit den unbequemen. Und ja, ihr ahnt, wo Dinge anders sein sollten.

Die letzten Sätze Jesu vor seiner Himmelfahrt laut Apostelgeschichte waren:

„Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird. Ihr werdet meine Zeugen sein (…) bis an das Ende der Erde.“

Kurz bevor er Matthäus und all die Anderen in diesem bunten Allerlei dieses irdischen Lebens zurückließ, versprach er ihnen eine Kraft, die hilft. Es war bestimmt einfacher für die Jüngerinnen und Jünger, als Jesus da war, greifbar nah. Doch für die Veränderungen, die anstanden, versprach er seinen Geist. Seinen Geist, der Mut macht, der verbindet, der Kraft gibt: den göttlichen Lebensatem, der begeistert – und auch auf verrückte Art aufrütteln und verändern kann.

Matze hat Lust, diesen guten Geist, diese Kraft zu spüren! Er denkt an das Himmelreich, und was für wunderbare, verlockende Bilder da gemalt wurden – damals wie heute: Himmlisch – das ist Genuss, bei dem man alles andere vergisst. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, verlieren ihre Macht. Gott wird abwischen alle Tränen, und es wird kein Leid und Geschrei oder Schmerz mehr sein, und da wird eine Tafel sein, reich gedeckt, und Gerechtigkeit und Friede werden sich küssen… Und irgendwie weht ihm plötzlich dieser Geist um die Nase, dass er spürt: Das ist nicht nur eine tröstende Vorstellung für das Jenseits – das kann schon hier und jetzt wahr sein! Das soll hier immer wahrer werden: Augenblicke himmlischer Gemeinschaft auf Erden. Taten voll himmlischem Mut, Gerechtigkeitsrufe mit himmlischem Zorn. Himmlische Zuwendung zu Ignorierten. Entscheidungen voll himmlischer, erdenweiter Weitsicht.

Augenblicke irdisch-himmlischen Genusses werden euch überraschen. Sie überschütten euch mit Lust und Kraft für mehr Himmel auf Erden. So

„werdet ihr die Kraft des Heiligen Geistes empfangen. Ihr werdet meine Zeugen sein – bis an das Ende der Erde!“

Auf Matzes Gesicht legt sich ein himmlisches Leuchten.

Ihm ist, als sammle er Schätze auf der Wiese unter dem weiten blauen Himmel: So wie Frederick Wörter und Farben für den Winter sammelte, sammelt er Himmelsleuchten, Visionen, Gerechtigkeitshunger, Großzügigkeits-Gelüste, Himmelfahrts-Segen für die Erde – für das Leben auf der Erde.

Er streckt sich genüsslich aus, und macht sich groß, um ja nichts von diesem Glück zu verpassen.

Lässt die Sonnenstrahlen auf sein Gesicht leuchten

Die Schönheit des Tages in sich hineinsickern

Atmet das Glück des Augenblicks in jede Fase seines Körpers

Kostet vom Segen des Himmels…

Wie wir alle. So soll es sein. Amen.